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Foto Annika Fischer
30.08.2022 12:00
von Annika Fischer

Cross-Border-Trade ermöglicht die Expansion in neue Märkte. Doch bei der Internationalisierung sollten sich Onlinehändler nicht nur mit den Chancen, sondern unbedingt auch mit den Pflichten und Risiken bei den Themen Steuern und Finanzbuchhaltung auseinandersetzen.  

Cross-Border-Trade bedeutet: neue Kunden, neue Umsatzchancen. Doch Vorsicht: Beim Verkauf ins Ausland lauern steuerliche Risiken. Der Mehraufwand kann einem Onlinehändler schnell über den Kopf wachsen. Denn: Im Cross-Border-Trade ist man schneller im Ausland umsatzsteuerpflichtig als einem bewusst ist. 

Daher sollte der Schritt ins Ausland unbedingt dafür genutzt werden, sichere und skalierbare Umsatzsteuer- und nachgelagerte Finanzbuchhaltungsprozesse aufzusetzen. 

In diesem Artikel erklären wir anhand konkreter Beispiele, was es dabei zu beachten gilt.

Cross-Border-Trade mit dem One Stop Shop 

​​Seit dem 1. Juli 2021 ist eine neue EU-Umsatzsteuerreform für den Onlinehandel in Kraft. Eine wichtige Änderung: Der Wegfall der lokalen Lieferschwellen für grenzüberschreitende Verkäufe an Privatkunden (auch Fernverkäufe genannt). Hatte früher jedes EU-Land eine  Lieferschwelle in Höhe von meistens 35.000 Euro, gilt seitdem eine einheitliche Umsatzschwelle in Höhe von 10.000 Euro – für alle Fernverkäufe in der EU. 

Das bedeutet: Überschreitet ein Onlinehändler diese Schwelle, wird er im Bestimmungsland seiner Waren steuerpflichtig. Mit gravierenden Folgen: Der Händler muss sich vor Ort umsatzsteuerlich registrieren und regelmäßig Steuermeldungen abgeben.

Faktisch ist damit seit dem 1. Juli 2021 (fast) jede grenzüberschreitende Lieferung an Endverbraucher innerhalb der EU im Bestimmungsland steuerpflichtig.

Damit sich Händler nicht in jedem EU-Land steuerlich registrieren müssen, wurde der One Stop Shop (OSS) eingeführt. Dieser ermöglicht die zentrale Meldung aller Umsätze aus Fernverkäufen – eine enorme Erleichterung für Onlinehändler und deren Steuerberater.




Onlinehändler können Umsätze aus Fernverkäufen in der EU über den OSS melden.

Doch ganz zurücklehnen können sich Onlinehändler und Steuerberater beim OSS-Verfahren nicht. Auch hier müssen sie bei jeder Transaktion den gültigen Umsatzsteuersatz berechnen. Dafür müssen sie die unterschiedlichen Steuersätze in der EU in ihre Prozesse integrieren. Manuell ist dieser Aufwand kaum zu stemmen, speziell für Händler mit großem Produktportfolio. 

Hinzu kommt der begrenzte Anwendungsbereich. Nicht alle Transaktionen lassen sich über den OSS abwickeln. Wie bereits erwähnt: Nur Fernverkäufe können gemeldet werden. Lokale Verkäufe im Ausland, Warenverbringungen, Amazon Commingling-Transaktionen und andere Transaktionsarten führen weiterhin zu einer Registrierungs- und Meldepflicht. 

Die Folge: Für viele Onlinehändler ist die Umsatzsteuer-Compliance mit dem OSS nicht einfacher, sondern komplexer geworden – und birgt mehr Risiken für die korrekte steuerliche Abwicklung und die Finanzbuchhaltung. Ein Grund dafür ist die Beliebtheit grenzüberschreitender Fulfillment-Strukturen. Dazu kommen wir jetzt.

Cross-Border-Trade mit Fulfillmentstrukturen  

Neben dem eigenen Webshop setzen Onlinehändler zunehmend auf den Verkauf über Online-Marktplätze wie Amazon oder Zalando. Einige dieser Marktplätze bieten Optionen für die Lagerung, den Versand sowie das Retouren-Management – also das Fulfillment 

Bei diesen Fulfillment-Programmen (z.B. Amazon PAN-EU oder CEE) profitieren die Händler neben der enormen Reichweite auch von den hochskalierbaren Logistikstrukturen eines Marktplatzes. 

An dieser Stelle wird es steuerlich interessant. Mit der Aktivierung der Fulfillment-Option gibt der Onlinehändler dem Marktplatz grünes Licht, seine Produkte in andere Länder zu bringen und zu lagern. Doch Achtung! Sobald ein ausländisches Warenlager genutzt wird, entsteht dort die Pflicht zur umsatzsteuerlichen Registrierung und lokalen Steuermeldung. 

Das bedeutet: Onlinehändler, die sowohl das OSS-Verfahren als auch die grenzüberschreitenden Logistikstrukturen eines Marktplatzes nutzen, müssen zwei Besteuerungsverfahren parallel abbilden:

  • OSS für Fernverkäufe und

  • lokale Meldungen für lokale Verkäufe, Verbringungen, …

Das erfordert einen sicheren Prozess, der jede Transaktion korrekt bewertet und in das richtige Meldeverfahren schiebt, um alle Umsatzsteuer- und Finanzbuchhaltungspflichten zu erfüllen. 

 

Zwei Compliance-Stränge: OSS und lokale Meldungen

Ganz wichtig: Die Themen Finanzbuchhaltung und Umsatzsteuer sollten zwingend miteinander verzahnt sein. Denn wenn die Daten in unabhängigen Prozessen gewonnen werden, besteht die Gefahr, dass Transaktionen doppelt oder gar nicht gemeldet werden, wie wir hier anhand eines konkreten Falles zeigen.

Checkliste für den Cross-Border-Trade

Damit Cross-Border-Trade von Beginn an sicher aufgestellt wird, gibt es hier eine Checkliste mit den wichtigsten ToDos:

  • Automatisierte EU-weite Bestimmung der Steuersätze aufgrund der Steuerpflichten in nahezu allen Mitgliedstaaten

  • Rechtzeitige Registrierung für den OSS

  • Identifikation der Transaktionsarten, die über unterschiedliche Compliance-Stränge gemeldet werden müssen

  • Sicherstellung, dass Transaktionen nicht doppelt (OSS und lokale Registrierung) oder gar nicht gemeldet werden, d.h. Etablierung einer zweigleisigen Compliance-Struktur

Fazit

Der Einstieg in den Cross-Border-Trade ermöglicht es Onlinehändlern, die Reichweite ihrer Waren um ein Vielfaches zu steigern. Doch vor der internationalen Expansion sollten sie sich unbedingt mit den steuerlichen Pflichten und Risiken auseinandersetzen. 

Dabei sollten Finanzbuchhaltung und Umsatzsteuer miteinander verzahnt werden. Warum? Wenn die Steuer falsch berechnet wird, stimmen am Ende auch die Finanzbuchhaltung und Finanzkennzahlen nicht – oder es wird im worst case doppelt Umsatzsteuer gezahlt.

Wer das Thema Internationalisierung aber Schritt für Schritt – zusammen mit seinem Steuerberater – angeht, kann nachhaltig die Früchte ernten.

Über den Autor

Dr. Roger Gothmann ist Co-Founder und Co-CEO von Taxdoo, über dessen Financial-Operating-System Onlinehändler aller Größen ihre Umsatzsteuer im EU-Ausland sowie ihre Finanzbuchhaltung automatisiert abwickeln können.



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